Mit der VA18 nach Kroatien...

  • Hallo zusammen,

    ich versuche mal, ein paar Ereignisse und Begebenheiten unseres Törns hier zu veröffentlichen. Vielleicht ist das ja für den ein oder anderen interessant...

    Folge 1: Die Anfahrt

    Bad Endorf, 03.30 morgens. Es ist dunkel, es ist kühl. Noch einmal tief durchatmen, Zündschlüssel umdrehen, losfahren. Jetzt ist es tatsächlich so weit, wir sind unterwegs. Vor uns liegen knapp 800km, 4 Länder, die Alpen, jede Menge Tunnels, berüchtigte Staustrecken. Wir hoffen auf Sommer, tolle Landschaften, blauen Himmel, türkises Meer. Wird sich der ganze Aufwand lohnen? Wird die Planung aufgehen? Haben wir an alles gedacht? Was kann alles schief gehen? Gedanken, die mir durch den Kopf schießen.

    Nach kurzer Fahrt ist die A8 erreicht. Wir sind froh, schon gestern Nachmittag eine erste Etappe bis an den Chiemsee gefahren zu sein, die Baustellen der A9 und München bereits hinter uns zu haben. Das spart uns jetzt knapp 2 Stunden. Die Autobahn ist schon erstaunlich voll und nach kurzer Zeit stehen wir im ersten Stau. Um 4 Uhr morgens. Kann doch nicht wahr sein. Glücklicherweise nur kurz. Der Trailer fährt sich bis knapp über 100km/h sehr angenehm, keine Tendenz zum Pendeln, alles sehr stabil. Es war auch eine gute Entscheidung, noch ein paar Umrissleuchten an der Lichtleiste anzubringen. Das erlaubt eine gute Beobachtung des Trailers bei Nachtfahrt und gibt insbesondere in Engstellen und Baustellen ein gutes Fahrgefühl. Weniger zufrieden bin ich mit dem Masttransport. Der liegt unter dem Boot und ragt die vorschriftsmäßigen maximalen 1,5m über die Lichtleiste hinaus.

    Eigentlich müsste das Ende bei Nachtfahrt beleuchtet sein, die rote Fahne reicht hier nicht zur Ladungssicherung aus. Wir hatten noch versucht, eine Batterie-Fahrradleuchte am Masttop zu befestigen, was aber nicht zufriedenstellend und vor allem sicher gelungen ist. Ich frage mich, ob man nicht das weiße Toplicht irgendwie auch für die Ladungssicherung heranziehen könnte?! Vielleicht ein kleines Winterprojekt?

    Am meisten Sorge bereitet mir aber die ständige Pendelei des Mastes. Jede Bodenwelle sorgt dafür, dass der Mast wie ein Entenschwanz wackelt. Das kann doch auf Dauer nicht gut sein.

    Tennengebirge, Tauerntunnel, Katschbergtunnel, Karawankentunnel, wir habens geschafft. Österreich und die Alpen liegen ohne nennenswerten Stau hinter uns, wir haben Slowenien, das dritte Land unserer Reise, erreicht. Halb Acht, Ljubljana, Zeit für ein Frühstück. Wir wählen das Restaurant zum goldenen M. Leider sind die Parkplätze nicht für 13m-Gespanne eingerichtet, sodass wir kurzerhand mehrere Parkplätze eines nahegelegenen Baumarkts in Beschlag nehmen.

    Auch Zeit für eine ausgiebige Kontrolle von Trailer und Ladung. Reifentemperatur ok? Radnabentemperatur ok? Spanngurte fest? Stützen und Stützrad noch fest? Auflagepratzen nachstellen.

    Der Mast hat sich beim Transport auf die Seite gedreht. Kein Wunder, dass der wie ein Entenschwanz wackelt. Mast wieder auf den Rücken legen, also Keep nach unten, und noch schnell ein Spanngurt durch die Salingaufnahme gefädelt um ein erneutes umdrehen zu verhindern. So hat der Mast deutlich mehr Stabilität. Die rote Fahne am Masttop ist total zerfleddert. Scheinbar schlitzt sie sich an der Schraube der Windex auf. Großzügiger Einsatz von Tape deckt die scharfen Stellen ab und repariert die Fahne notdürftig, welche nun eher als Symbolflagge unserer Bundesregierung taugt: schwarz-rot.

    Merke: Ausreichende Menge an Spanngurten und Tape dabeizuhaben ist kein Fehler.

    Ausgiebiges Frühstück, Tanken (der Mehrverbrauch durch den Trailer macht sich schon deutlich bemerkbar), weiter geht's.

    Kroatien ist zwar neuerdings in der EU, aber leider noch kein Schengen-Land. Das macht sich durch Grenzkontrollen (schon ewig nicht mehr erlebt, vollkommen ungewohnt) und einen dazugehörigen kleinen Stau bemerkbar.

    "Boote sind bei der Einreise über Land mündlich zu deklarieren", heißt es in verschiedenen Publikationen. Aha. Und wie macht man das? Soll ich in die LKW-Zollspur fahren und dann das Boot im Zoll-Kabuff anmelden? Reicht ein freundlicher Hinweis an den Grenzer bei der Passkontrolle? Keine Ahnung. Stelln wa uns mal janz blöd und fahren einfach über die Grenze. Weder der slowenische, noch der kroatische Beamte scheint sich sonderlich für uns, unsere Ausweise, unser Boot oder gar irgendwelche Bootsdokumente zu interessieren. Also gut. Zu viele Informationen im Vorfeld schaden der Entspannung. Man sollte sich auch nicht zu viele Gedanken machen...

    Der nächste Zwangs-Stopp entpuppt sich als Mauthäuschen. Der Kassierer ist ein echter Sonnenschein und begrüßt uns mit einem freundlichen "Guten Morgen! Alles klar? Müde, hm?" Die hingestreckte Kreditkarte quittiert er mit "Meister, lohnt sich nicht. Haste nicht 2 Euro klein?" Ham wa. Diese nette Begegnung hat uns gefallen, so langsam macht sich ein Gefühl von "angekommen, Urlaubsstimmung" breit.

    Noch vor Mittag haben wir Zagreb links liegen lassen und rollen auf der Küstenautobahn der Sonne entgegen. Der Verkehrsfunk vermeldet keine Staus. Und das in kroatisch, englisch, deutsch und italienisch! Was für ein Service, ich bin baff.

    Die geplante Mittagspause entpuppt sich als schwieriger als gedacht. Urlaubszeit + Mittagszeit = Chaos auf dem Rastplatz. Man finde einen Platz für ein Gespann. Es gelingt uns schließlich doch. Vielleicht nicht ganz vorschriftsgemäß, aber auch nicht total daneben. Jedenfalls erregen wir viel Aufmerksamkeit mit unserem Boot, zumindest deutlich mehr als die ebenfalls vorhandenen MoBo-Gespanne. Und das freut uns insgeheim...

    Am frühen Nachmittag wird die Landschaft karg und weit. Rechter Hand das mächtige Velebit-Gebirge. Winnetou-Landschaften. Wir unterqueren den Velebit durch den langen Tunnel von Sveti Rok, schlängeln uns Serpentinen herunter, übefahren hohe Viadukte und sehen zum ersten mal: Das MEER! Beeindruckende Landschaften. Rau. Karg. Im Hintergrund die Bora-Wüste von Pag unter strahlend blauem Himmel.

    Mit dem Passieren von Zadar steigt die Aufregung, jetzt ist es nicht mehr weit. Runter von der Autobahn, Obolus am Mauthäuschen entrichten, Endanflug auf Biograd, das Thermometer zeigt über 30°C, wir haben den Sommer gefunden!

    Weiß der Geier, warum das Navi "halb rechts" sagt und "geradeaus" meint. Das beschert uns jedenfalls eine Ehrenrunde und nervenaufreibendes Geschlängel durch enge Gassen. Schließlich erreichen wir aber doch gegen halb Vier die Marina. Geschafft.

    Eigentlich haben wir für einen Tag genug erlebt. Aber leider will da noch ein Boot ins Wasser. Hilft ja nix, ran an den Speck! Wir lernen erst einmal, die gewohnte durchorganisierte deutsche Denke mit festen Kranterminen, Trailerstellplätzen und Wartezonen durch südländische Gelassenheit zu ersetzen. Also suchen wir uns ein ruhiges Plätzchen, wo wir nicht allzu sehr im Weg stehen und bereiten in Ruhe die Kranaktion vor. Spanngurte und Befestigungen abbauen, Böcke aufstellen, Mast abladen und auf Böcken lagern, Mast von Verzurrungen befreien, alle Teile am Mast montieren und schließlich anstellen zum Einkranen. Kurze Zeit später küsst der Kiel zum ersten mal Salzwasser nur der Mast liegt leider immer noch an Land. Mangels geeigneter Liegeplätze zum Maststellen verbleiben wir kurzerhand unter dem Kran (-> südländische Gelassenheit) und schleppen den Mast an Bord. Ewiges Gefummel mit dem Mastbolzen und schließlich unsere "Lieblingsarbeit": Mast stellen. Inzwischen haben meine Frau und ich etwas Sicherheit darin gewonnen. Aber trotzdem schießt mir immer noch jede Menge Adrenalin durch die Adern und der Puls geht auf 180. Die beste Ehefrau von allen zieht am Vorstag während ich den Mast immer höher stemme und dabei möglichst in der Längsachse halte (bei etwas Schwell im Hafen gar nicht so einfach). 4 Sekunden, die sich immer vieeeel länger anfühlen, und der Mast steht. Jetzt noch solange nach vorne drücken, bis Frau den Vorstagbolzen eingefummelt hat: Geschafft. Ein wohliges Gefühl breitet sich im Körper aus. Mit einer gewissen Genugtuung nehmen wir zur Kenntnis, dass unsere "Vorkraner" immer noch mit Ihrer Jüt beschäftigt sind...

    Die Marineros bitten uns nun, den Platz unterm Kran zu räumen, da ein MoBo gekrant werden möchte (-> südländische Gelassenheit). Wir finden einen Liegeplatz etwas weiter draußen am "Operations Jetty" und widmen uns dem Auftakeln in der Abendsonne. Zuletzt wird die Gastlandflagge unter der Steuerbordsaling gesetzt, ein erhebendes Gefühl. Wir fühlen uns wie auf einer "richtigen" Yacht.

    Die Sonne versinkt hinter der Insel Pasman während wir einen Liegeplatz ganz vorne am Steg ergattern. Schnell mit dem Auto zum Steg und kurze Zeit später stapeln sich Taschen, Rucksäcke und Beutel am Steg. Soviel Gepäck? Muss das wirklich alles mit? Angesichts schönstem Wetter und schweisstreibender Temperaturen bleiben die Ölzeughosen im Auto. Wer braucht die schon?

    Es soll nun schnell gehen. Es dämmert und wir sind mit unseren Kräften nun wirklich langsam am Ende. Schnell einen Parkplatz für Auto und Trailer suchen, ein letzter Besuch im Sanitärgebäude und fertig machen zum Ablegen. Kurzer Blick in die Seekarte (besser: Plotter-App) ob wir auf unserem kurzen Weg um die Stadt auf irgendetwas aufpassen müssen, Westen an, Kind einpicken, Licht einschalten und Leinen los! Unter Motor verlassen wir die Marina, suchen uns einen Weg durch das Yachten-Gewimmel vor der Tanke, bestaunen das Touristengewusel an der Hafenpromenade und fahren schließlich in die sog. "Hotelmarina" auf der anderen Seite der Stadt ein. Das ist eine kleinere Marina, näher an der Stadt, aufgrund der engeren Abmessungen und geringerer Tiefe eigentlich nur von MoBos genutzt. Kein Marinero in Sicht der uns in Empfang nehmen könnte, also suchen wir uns einen freien Platz aus und machen fest. Da taucht doch noch ein Marinero auf und bestaunt uns ungläubig. Besuch in der Dunkelheit, dazu noch von einem Segelboot ist er nicht gewohnt. Er bittet uns auf einen anderen Liegeplatz, wir sind nicht begeistert, da wir wirklich fertig sind und lieber morgen "umparken" würden, aber gut. Kommt jetzt auch nicht mehr drauf an. Noch etwas Papierkram erledigen, Einweisung in die Örtlichkeiten und ab unter die Dusche.

    23.00 Uhr, endlich Schlafen. Ein langer und anstrengender Tag geht zu Ende. Fix und fertig, aber irgendwie auch zufrieden. Es hat alles irgendwie geklappt, vieles sogar einfacher und unkomplizierter als gedacht. Jetzt kann der Urlaub beginnen...
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  • Moin Matthias,

    großes Kompliment. Ein toller erster Teil. Ich bin schon sehr auf die Fortsetzung gespannt !!!

    Da bekommt man doch sofort wieder Lust zum Boot zu fahren ;)

    Darf ich mal fragen wo ihr "das Kind" eingepickt habt? Unsere Lütte ist zwar erst 6 Monate alt aber wir sind schon stark am Grübeln wann und wie wir sie zum ersten Mal mit auf die VA nehmen können.

    Gruß aus dem stürmischen Lübeck, Christian

    PS: Super Kennzeichen. War bei uns leider schon weg.

    Gruß, Christian

    Einmal editiert, zuletzt von hanseat (22. August 2014 um 12:53)

  • Hallo Matthias,

    geht doch gut, mit dem Schreiben! Congratulations!
    Vielen Dank für die geschilderten Eindrücke, das macht Spaß, es zu lesen und "mitzufahren".
    Und coole Bilder, die sagen ja auch immer sehr viel aus, echt gut gemacht!

    Ich sehe, dass Du ein Ingoldstädter Kennzeichen dran hast, von wo bist Du denn?
    Mein Trailer wird die Nummer "PAF - VA 18" bekommen, ist sogar ein steuerfreies grünes.
    Wir sind also offensichtlich nicht weit voneinander entfernt ... vielleicht kann man sich ja mal
    treffen, zum Bootspläuschchen oder so ...

    Freue mich dann schon auf die Fortsetzung,
    schöne Grüße,

    Stefan

  • Hallo Christian und Stefan,

    erstmal Danke fürs Kompliment und Ermutigen. Werde dranbleiben...


    Zitat von hanseat


    Darf ich mal fragen wo ihr "das Kind" eingepickt habt? Unsere Lütte ist zwar erst 6 Monate alt aber wir sind schon stark am Grübeln wann und wie wir sie zum ersten Mal mit auf die VA nehmen können.


    Letzte Saison (wie heisst das Teil??) "da, wo der Großschotblock am Cockpitboden eingeschäkelt wird". Das war aber nervig, weil sich Lifeline und Großschot immer vertüddelt haben. Deshalb haben wir für diese Saison eine extra Einpicköse unterhalb des Steckschotts anbringen lassen. Das hat sich bewährt, insbesondere kann unsere Tochter so auch eingepickt in die Kajüte klettern und Spielsachen, Gummibärchen, Getränke rein- oder rausbringen (was Kinder halt so die ganze Zeit beim Segeln machen... ;) )

    Zitat von hanseat


    Ach, ich sehe grad. Warum hast du kein grünes Kennzeichen für den Trailer? Ist steuerfrei!!!


    Gute Frage. Tatsache ist, der Trailer ist auch bei mir steuerbefreit. Der Beamte der Zulassungsstelle sagte mir, ich brauche nicht unbedingt ein grünes Kennzeichen, ich kann auch schwarz nehmen. (Hat er ja auch anschließend mit dem Siegel versehen). Jetzt, nach kurzer Suche im Internet frage ich mich, ob der Mensch da richtig lag? Tendenziell würde ich jetzt sagen: nein. :? Hmmmm...

    Zitat von holymoly


    Ich sehe, dass Du ein Ingoldstädter Kennzeichen dran hast, von wo bist Du denn?
    Mein Trailer wird die Nummer "PAF - VA 18" bekommen, ist sogar ein steuerfreies grünes.
    Wir sind also offensichtlich nicht weit voneinander entfernt ... vielleicht kann man sich ja mal
    treffen, zum Bootspläuschchen oder so ...


    Naja, direkt aus Ingolstadt halt... Aus welcher Ecke kommst Du?

    Viele Grüße,
    Matthias

    Ein Leben ohne Segelboot ist möglich, aber sinnlos.

    Einmal editiert, zuletzt von buddel (22. August 2014 um 18:38)

  • Teil2: Beim Hafenkapitän
    (nicht zu verwechseln mit dem Hafenmeister!)

    Der erste Morgen an unserem Urlaubsort empfängt uns mit strahlendem Sonnenschein und warmen Temperaturen. Gestern sind wir weder zum Einkaufen gekommen, noch hatten wir Zeit um mögliche Einkaufsgelegenheiten zu finden. Also muss das Frühstück an Bord erst einmal ausfallen. Als Alternative nutzen wir das namensgebende Hotel der Hotelmarina und fragen nach, ob für Gäste der Hotelmarina die Teilnahme am Frühstücksbuffet möglich ist. Natürlich ist es das. So speisen wir ausgiebig vom üppigen Buffet und genießen den Blick über die Marina aufs Meer. Und wir stellen fest, dass wir wohl das einzige Boot mit Mast in der ganzen Marina sind (oder "das einzige nicht-kaputte Boot", wie meine Tochter sagen würde). Allein unter MoBos, sozusagen.

    Danach wird es Zeit für den Papierkram und die Anmeldung beim Hafenkapitän. Dazu braucht es alle Bootspapiere und den Versicherungsnachweis. Und der ist wo? Im Auto! Und das steht in der Marina. Na toll, also erst noch ein Fußmarsch in brütender Hitze immer am Wasser entlang, von der Hotelmarina in die "andere", die "große" Marina. Ein Blick auf einen Stadtplan hätte eine deutlich kürzere Route gezeigt, so schlau waren wir aber leider nicht.

    Nachdem alle Papiere beisammen sind geht es zum Büro des Hafenkapitäns.

    Die junge Dame nimmt alle Papiere entgegen und studiert ausgiebig den Internationalen Bootsschein. Stirnrunzeln.
    "Wie lang ist Ihr Boot?"

    "5,70m."

    Stirnrunzeln, Eintippen der Daten in den Computer. Tippeltipp. Denkpause.
    "Wie viele Personen können maximal an Bord sein?"

    Jetzt muss ich fragend schauen. Was steht nochmal auf der CE-Plakette? Mehr als vier kann ich mir gerade nicht vorstellen, also: "Vier." (auf der Plakette steht 5).

    Stirnrunzeln. Hochziehen der Augenbrauen. Hektisches getippe.
    "Haben Sie ein Haus an Bord?"

    Jetzt ziehe ich die Augenbrauen hoch und schaue wie ein Auto.
    "Äh..?"

    "Schlafen Sie an Bord?"

    Ach so. "Ja, natürlich."

    Tippelditipp. Der Blick der Dame wird immer ungläubiger. Schulterzucken. Hinzuziehen der älteren Kollegin. Kurzes Beratschlagen auf kroatisch, kurze Erklärung der notwendigen Eingabe am Computer.
    "Wie viele Personen schlafen an Bord?"

    "Wir drei hier."

    Der Blick pendelt zwischen Unglaube, Erstaunen und Verzweiflung. Tippelditipptipp.
    "Und Ihr Motor hat 1 PS?" (sehr erstaunter Blick)

    Ich spiele mit dem Gedanken, der Dame zu erklären, dass wir einen Elektro-Motor haben und 1 Elektro-PS jetzt nicht so direkt mit einem Benzin-PS vergleichbar ist. Entscheide mich dann aber für die Kurzform: "Ja."

    Tipptipptippelditipp. Hochgezogene Augenbraue. Verzweifelter Blick. Hinzuziehen der älteren Kollegin. Beratschlagen auf Kroatisch. Eingaben nach Anweisung der älteren Kollegin. Tippelditipp.

    Resignation. Ausdrucken aller Papiere, Kassieren aller Gebühren, tiefes Seufzen, als wir das Büro verlassen.

    Warum habe ich nur den Eindruck, wir sind die erste VA18-Crew welche Biograd besucht...?

    Der Nachmittag ist angebrochen, wir erholen uns noch etwas von den Strapazen des Vortags, erkunden den Ort, bunkern Vorräte und gehen abends lecker Essen.
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  • Besonders cool: "Tippelditipp!"
    Auch "lustig": Die süße Mooringleine an der Klampe hinten - ist halt alles etwas kleiner als beim Dickschiff!
    Ich glaub, ich werde an meinem ersten Törn eine Riesenfreude haben, allein schon weil bei unserem Schiffchen alles so überschaubar und einfach und gut erreichbar ist ... Ich bin noch nie mit einer VA18 unterwegs gewesen, habe sie, wie auch ein anderes Mitglied des Forums gekauft, weil DIGGER damit so gut zurecht kam und wir, zumindest nicht gleich, solche Gewalttörns machen wollen, wie er sie zu Beginn noch mit Kathleen zusammen gemacht hat.

    Wir sind aus Reichertshausen im Landkreis PAF.

    Und, ja: Ich bin auch schon gespannt, wie's weitergeht in der Serie "Firlefanz auf großer Tour" ...

    Hab grad nochmal geschaut, wo genau Biograd ist. Wir sind diesen Sommer wieder von Sukosan los, das ist eine Riesenmarina mit Parkplatz direkt dabei, da stelle ich mir den Traffic rund um Kranen und Auto nebst Trailer abstellen auch relativ einfach vor. Und man spart eine Stunde Fahrt ... das spielt bei der von uns nach HR zurückzulegenden Entfernung vielleicht auch noch eine Rolle.
    Anyway, danke für Deine Beiträge, ich werde mich, sobald es was zu Schreiben gibt, revanchieren.
    Denn was gibt es Spannenderes als das "wahre Leben", direkt berichtet von einer VA18!

    Viele Grüße, Stefan von Ambata

  • Moin Matthias,

    auch meinen herzlichen Dank für diesen großartigen Bericht, der sich, bei allem Respekt, mit Diggers Ausführungen allemal messen kann.
    Auch ich bin sehr gespannt, wie es weitergeht.

    Zum Thema Mast stellen: Ich war diese Nerverei auch schon nach ein paar Jahren leid, zumal mir dabei einmal der Mast abgeruscht, der Koger zerbrochen und der runtergekommene Mast hässliche Spuren hinterlassen hat. Dann habe ich mir eine einfache, mobile Jütvorrichtung gebaut. Damit brauche ich zwar mehr als 4 Minuten, aber ersten kann ich den Mast alleine und ohne größere Mengen an Schweiß und Adrenalin stellen. Wen es interessiert - einfach mal meine Galerie ansehen.

    Liebe Grüße,

    Reinhard

    Segeln ist ein Wassersport - wer nicht nass werden will, sollte Schach spielen...

  • Folge 3: Der Törnbericht:

    ...den es nicht geben wird. Warum nicht? Ganz einfach, weil wir keinen klassischen Törn gemacht haben. Unsere Segeltage folgten immer demselben Schema: Biograd - irgendeine Ankerbucht - Biograd.
    Langweilig? Nöö! Ganz und gar nicht, jedenfalls nicht für uns. Das hatte viele Vorteile und -zugegeben- auch ein paar Nachteile. Aber der Reihe nach.

    Die Ausgangslage:
    Wir sind eine kleine Familie mit kleinem Kind (ok, hier würde meine Tochter jetzt heftigst widersprechen ;) ) und kleinem Boot. Hinzu kommt eine überschaubare Segel-Vita, die irgendwann vor 3 Jahren mal begonnen hat und über ein paar Segel- und Führerscheine, ein paar Chartertörns zum eigenen Boot geführt hat. Es versteht sich von selbst, dass unter diesen Voraussetzungen der Aspekt der Sicherheit und des geringsten Risikos allerhöchste Priorität genießt.

    Als wir angefangen haben zu planen, sahen wir uns mit vielen Unbekannten konfrontiert:
    - Was für ein Revier erwartet uns?
    - Welche Windverhältnisse erwarten uns?
    - Wie stabil ist das Wetter, gibt es ausreichende Planungssicherheit? (Stichwort: Bora)
    - Wie kommen wir bei Wellengang mit dem Boot zurecht?
    - Wie ist die Liegeplatz-Situation zur Hauptsaison?
    - Stimmen die kolportierten Geschichten von wegen "Kegelclub auf 45ft Charterbratze hat in der Marina immer Vorrang vor kleinem Boot"?
    - Welche realistischen Distanzen lassen sich unter den gegebenen Bedingungen mit der VA18 sicher zurücklegen?
    - Reicht unser Elektro-Quirl aus?
    - Reicht unsere seglerische "Wohlfühl-Zone" (2-4Bft) für das Revier aus?
    - Können wir unsere Tochter ausreichend bei Laune halten?

    Diese Fragen lassen sich letztlich nur durch eigene Erfahrungen beantworten. Also gilt es, diese Erfahrungen aus einer sicheren Position heraus auch machen zu können. Und dies führte zu folgender Planungsprämisse:
    "Lass' uns das Boot in eine schöne Marina, an einem schönen Ort in einem schönen Revier legen. Dann schauen wir uns die Situation in Ruhe an und entscheiden vor Ort, was wir daraus machen"
    Falls alles schief geht, hätten wir dann immer noch Plan Z: "Eine schwimmende Ferienwohnung (ok, besser: Wohnhöhle) an einem schönen Ort für einen schönen Landurlaub".

    Mit dieser Prämisse ging es an die Planung mittels Google-Maps und dem empfehlenswerten Revierführer "888 Buchten & Häfen". Ich möchte nur kurz begründen, warum unsere Wahl letztlich auf Biograd gefallen ist und warum die Planung hier mitten ins Schwarze getroffen hat.

    Das Revier um Biograd:
    - die vorgelagerten Inselketten erzeugen ein sehr geschütztes Revier. Heranrauschenden Winden wird die Wucht genommen und großer Wellengang kann sich im Allgemeinen nicht aufbauen (gibt aber natürlich Ausnahmen)
    - die vielen Inseln und Inselchen und die stark gegliederte Küste ergibt insgesamt ein abwechslungsreiches Revier mit vielen Tageszielen und Buchten mit Schutz für alle Windrichtungen
    - Biograd liegt ausserhalb der berüchtigten Bora-Pforten
    - Es gibt viele Ankerbuchten/Bojenfelder, Häfen und Marinas in "Schlagdistanz" der VA18 (war eine Annahme, würde ich jetzt aus Erfahrung bestätigen, sofern die Bedingungen passen). Beispielhaft genannt sei Sukosan im Norden, Murter im Süden, Zut im Westen).

    Biograd als Stadt:
    Biograd ist ein beliebter Touristenort. Mit allen Vor- und Nachteilen. In der Hauptsaison ist die Stadt natürlich entsprechend voll. Insbesondere die Strände sind abschreckend überfüllt, aber die brauchen wir ja glücklicherweise nicht. An der Hafenpromenade ist immer was los und Freitag/Samstag (Chartercrew-Wechsel) schieben sich viele Menschen zwischen Restaurants, Bars und Souvenirläden hindurch.
    Also zum abgewöhnen? Mitnichten. Biograd hat auch eine nette Altstadt mit schmalen verwinkelten Gässchen. Hier gibt es ruhige Hinterhöfe mit netten Lokalen. Also für jeden etwas dabei. Uns hat es gut gefallen.

    Die Marina:
    Biograd hat zwei Marinas, die "große" Marina und die "Hotelmarina". In der großen Marina haben wir nur eingekrant, deshalb können wir nicht viel darüber berichten.
    Die Hotelmarina eignet sich nur für kleine Boote und hat einen großen Vorteil: Sie ist mitten in der Stadt. Sie hat aber auch einen großen Nachteil: Sie ist mitten in der Stadt.
    Anfangs war ich hin- und hergerissen, ob das nun gut oder schlecht ist, ich habe mich dann für gut entschieden. Wir sind ein paar mal in die große Marina gelaufen (meistens weil wir irgendetwas vergessen hatten) und waren anschließend immer froh, in der Hotelmarina zu liegen. Die große Marina ist halt eine Marina wie so viele - austauschbar. Volle Infrastruktur, riesig, etwas ab vom Schuss, etwas steril. Die Hotelmarina ist mehr ein "Stadthafen". Klein, familiär, mitten drin, aber -glücklicherweise- auch weit genug entfernt vom Getümmel, das man dann aus sicherer Entfernung beobachten kann. Und in einer lauen Nacht bei einem kühlen Weisswein im Cockpit der dargebotenen Live-Musik zu lauschen hat auch etwas für sich. Live-Musik gab es übrigens oft. Aber nie dämliches Disco-Gewummer, sondern abwechslungsreich von Einheimisch, über Pop bis Jazz sehr vielseitig in guter Qualität. Und spätestens um halb Zwölf war Schluss. Also sehr angenehm.

    Und die Nachteile?
    Nun ja, wir haben halt keinen "Törn" gemacht. Fühlt sich jetzt schon ein wenig unvollendet an. In unserer zweiten Urlaubswoche wurden wir mutiger. Wir haben Vertrauen in uns und das Boot gewonnen, konnten die Gegebenheiten vor Ort besser einschätzen. In der Folge haben wir Ziele "weiter draussen" in Angriff genommen, sind "längere" Schläge gesegelt, damit hätten wir locker auch andere Orte erreichen können. Aber so ein fester, vorgebuchter Liegeplatz macht faul und bequem, deshalb konnten wir uns letztendlich nicht von Biograd lösen. Das würde ich beim nächsten mal vermutlich anders machen. Selbst in der Hauptsaison hätten wir jederzeit einen Liegeplatz bekommen, ein Vorausbuchen ist nicht zwingend notwendig. Und dann klappts vielleicht auch mal mit einem "richtigen" Törn.

    Die Zusammenfassung (tl;dr):
    - Das Revier um Biograd ist bestens geeignet für die VA18
    - Die Stadt Biograd ist als Ausgangspunkt empfehlenswert, einen Landurlaub wollten wir dort zur Hauptsaison aber nicht verbringen
    - Sofern es die Bootsgröße zulässt würde ich dort die Hotelmarina vorziehen

    Und was ist nun mit dem Törnbericht?
    Da ich keine Abfolge von Häfen und Buchten liefern kann, probiere ich wenigstens noch ein paar einzelne Aspekte zu Wetter, Revierverhältnissen, Begebenheiten und Tageszielen nachzuliefern...
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  • Folge 4: Herausforderungen

    Später Vormittag, strahlender Sonnenschein, angenehme 3 Bft aus Süd. Wie so oft wird der Wind zwischen der Insel Pasman und dem Festland kanalisiert, sodass es immer nur zwei Möglichkeiten gibt: Geganan Kreuzen oder Vor-Wind Kurs.
    Heute kreuzen wir gegenan, wir wollen nach Süden zur Insel Vrgada. Wir fahren lange Kreuzschläge zwischen dem Festland und Pasman, die Logge zeigt meist 4-5 kn. Wir sind zufrieden, fühlen uns wohl, haben das Boot gut im Griff.

    Weit vor uns kreuzt eine Charterbratze ebenfalls den Kanal hinauf. Doch was ist das? Nach kurzer Zeit stellen wir fest, dass wir den Abstand verkürzt haben. Wir schauen uns an, ein Blitzen in den Augen: Ein Segelboot ist schön, zwei Segelboote sind: EINE REGATTA! Aufgrund des roten Biminis taufen wir unser Opfer ab jetzt "Rotkäppchen" und freuen uns über den müden Witz...

    Wir versetzten uns in den Race-Modus. Wir rutschen noch ein Stück höher auf die Kante, die Füße kommen unter unseren selbstgebauten Ausreitgurt, Tochter mault, möchte sich nicht auf der Luvbank dazwischenqeutschen, nix gibts, hier geht es um jedes Gramm Luvgewicht, da muss man Opfer bringen!

    Steht die Fock richtig? Da geht doch noch was. Zentimeterweise wird die Schot optimal eingestellt. Jetzt wehen die Windfäden schön aus. Groß richtig dicht und los geht's! Wir können offenbar ein gutes Stück mehr Höhe laufen und kommen unserem Opfer Stück für Stück näher.

    Rotkäppchen scheint den Braten gerochen zu haben, an Bord kommt Betriebsamkeit auf, Winschen rattern, die Segel stehen mit einem mal deutlich besser getrimmt. Aha, Rotkäppchen möchte sich nicht kampflos geschlagen geben, challenge accepted! Taktische Überlegungen schießen mir durch den Kopf. Wo ist der Wind wohl besser? Festlandseite? Inselseite? Mitte des Kanals? Verdammt, hätte ich mal besser aufgepasst und die Werte unserer Windmessanlage im Auge behalten. Eiskalt analysiere ich die Schwachpunkte unseres Gegners. Es sind die Manöver! Die Wenden dauern ewig, er verliert viel Geschwindigkeit und braucht bei dem leichten Wind lange um wieder in Fahrt zu kommen. Das geht mit unserem flinken Schiffchen deutlich geschmeidiger.
    Böen und Wellen werden durch konzentriertes Ausreiten pariert. Die Bauchmuskeln rebellieren und quittieren ihren Dienst mit einem fiesen Brennen.

    Wir kreuzen entgegengesetzt, es ist schwer festzustellen, wie groß die Abstände nun wirklich sind. Der Taktiker ist wieder gefragt. In meinem Kopfkino liefern wir uns ein Zentimeterduell auf dem nächsten Kreuzschlag, wir auf Backbordbug, Rotkäppchen auf Steuerbordbug, wir laufen aufeinander zu, kämpfen um jeden Zentimeter Höhe, bevor wir kurz vor Ihm durchgehen und Rotkäppchen zum abfallen zwingen... Wäre das schön... Die Überlegungen, wer wann wie und wo Wenden muss, habe ich wohl laut vor mich hingebrabbelt. Meine Crew schaut mich fragend mit hochgezogener Augenbraue an: "Na Skipper, Wende?". "Hmpf. Nee, weitersegeln". Und schiebe noch halblaut irgendwas von konservativer Taktik und sowieso besseren Windverhältnissen nach... Banausen. Keine Ahnung von Regattataktik...

    Eine Wende später ist klar, dass wir die Nase vorn haben. Rotkäppchen liegt deutlich hinter uns. Ganz unspektakulär. Schade, das Duell hätte ruhig noch länger andauern können. Wir kommen aus dem Kanal heraus, der Wind raumt und bläst jetzt frei aus Süd. Für unseren Kurs auf Vrgada brauchen wir nicht mehr zu kreuzen, wir können die Segel sogar etwas weiter öffnen. Jetzt hat Rotkäppchen endgültig verloren, während er noch weiter kreuzen muss, ziehen wir unaufhaltsam davon. Aus der Ferne beobachten wir, wie die Segel eingerollt werden und Rotkäppchen seine Fahrt unter Maschine fortsetzt.

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  • Hallo flachwasserpirat,

    Zitat von Flachwasserpirat

    sehr schön, fein gemacht. :D
    Was für ein Windmesssystem hast Du, bzw. welche Instrumente / Elektrifizierung?

    Wir haben ein B&G Triton System verbaut. Zugegeben, etwas oversized für 'ne VA18, macht aber Spaß und ist 'ne feine Sache...

    Grüße,
    Matthias

    Ein Leben ohne Segelboot ist möglich, aber sinnlos.

  • Folge 5: Ein normaler Tag beginnt

    Spätestens gegen Achte brennt die Morgensonne durchs Vorluk und erklärt die Nacht für beendet. Unsere Tochter sitzt meistens schon hellwach auf Ihrer Steuerbordkoje und wartet sehnsüchtig auf das Signal zum Tagesanbruch. Wird auch Zeit, die Temperatur steigt kontinuierlich an und es ist kein Windhauch zu spüren. Jeder Gedanke an ein nochmaliges gemütliches Umdrehen würde in der Hitze verglühen...

    Über die Tage haben wir schon eine Morgenroutine entwickelt. Töchterchen und ich ziehen uns an, während Frau noch liegen bleiben darf und damit erst mal "aus dem Weg ist". Viel Platz haben wir an Bord ja nicht.
    Inzwischen haben wir auch ein brauchbares System für die Befüllung unserer Seitentaschen entwickelt. Das sind ja die einzigen leicht und jederzeit zugänglichen Stauräume bei uns an Bord. 2 Taschen sind für Technik und "Bootskram" reserviert, bleiben pro Person 2 Taschen für den persönlichen Gebrauch. Und diese werden rollierend in First-In-First-Out Manier mit frischen Klamotten bestückt. Somit ist immer ein 2-3 Tagesvorrat an Klamotten griffbereit und wir müssen nur selten die schweren Reisetaschen ganz vorne aus dem Vorschiff wuchten, wo diese Gewichtstrimm-optimiert ihren Platz gefunden haben.
    Schnell die Waschbeutel von der Backbordkoje geschnappt (ist bei uns keine Koje mehr, sondern Ablagefläche) und auf geht’s zum morgendlichen Besuch der Sanitärräume.

    Anschließend gehen wir zu zweit zum nahen Supermarkt, um frische Brötchen fürs Frühstück und den Tagesvorrat an Lebensmitteln zu besorgen. Das ist meist ein wenig knifflig, da ich außer "Guten Tag" und "Danke" leider kein Wort kroatisch kann. Im Gegenzug hat das Supermarktpersonal dafür ebenfalls keine Fremdsprachenkenntnisse. Mit Zeichen und viel Gestik bekommen wir die gewünschten Brötchen in der richtigen Anzahl und auch meine Tochter bekommt das mit Nachdruck verlangte Schoko-Croissant.
    Mit viel kombinatorischem Geschick gelingt es mir, den richtigen Zahlencode für Pfirsiche zu enträtseln und in die SB-Waage einzutippen, was mir ein erstes morgendliches Erfolgserlebnis beschert.
    Die Preise unseres Einkaufs werden an der Kasse zwar Lipa-genau abgerechnet, aus unerfindlichen Gründen scheint jedoch ein beständiger Mangel an Kleingeld zu bestehen, sodass je nach Verfügbarkeit der Münzen auf- und abgerundet wird. Spannendes Konzept.

    Zurück geht es zum Boot, wo ich meine Frau bei den Vorbereitungen zum Frühstück ablösen kann und ihr damit den Weg zu den Sanitärräumen ermögliche.

    Das Leben an Bord der VA18 zeichnet sich durch beständigen Mangel an Stauräumen und Ablageflächen aus. Hinzu kommt, dass diese im Urlaubsmodus auch noch bis an die Kapazitätsgrenze genutzt werden. Und, egal wie man es anstellt, das Geraffel verhält sich wie ein ideales Gas, es nimmt immer den größten zur Verfügung stehenden Raum ein. Die Kunst ist nun, ähnlich dem Solitär-Spiel möglichst immer eine Position freizuhalten um durch geschicktes Aus-, Weg- und Umräumen die richtigen Dinge zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu haben. Das erfordert ein geradezu strategisches Vorausplanen mindestens der nächsten 10 Schritte. Und dabei ja keinen Fehler machen, ungeplante Zugriffe bringen das gesamte System ins Wanken und sorgen garantiert für geradezu unbeherrschbare Zustände. Erschwerend kommt hinzu, dass wir mit unserer Tochter ein tendenziell chaotisches Element an Bord haben. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit möchte sie zur Unzeit irgendwelche Dinge irgendwo herauskramen und hat natürlich absolut kein Verständnis für Vaddis Bemühungen, das Durcheinander halbwegs unter Kontrolle zu halten...

    Naja, der Klassiker, den wahrscheinlich jeder VA18-Urlauber kennt, ist die Frage am vollständig gedeckten Frühstückstisch im Cockpit: "Sach'ma wo issn eigentlich die Milch?" Die Kurzantwort wäre ein Schreikrampf.
    Die etwas ausführlichere Variante: "In der Kühlbox, die sich in der Backskiste befindet, welche als Sitzgelegenheit für mindestens einen Frühstücksteilnehmer und Auflagefläche für einen Cockpittisch dient, welcher sich unter Ausnutzung jedes Quadratzentimeters unter der Last von Tellern, mit heißen Flüssigkeiten gefüllten Tassen und allerlei Frühstücksutensilien und -zutaten biegt".
    Viel Spaß beim allseits beliebten Frühstücks-Mikado.

    Irgendwie schafft man es dann aber doch, das Wasser köchelt im Wasserkocher, Kaffee und Tee können aufgebrüht werden, der Tisch ist fertig gedeckt und die Familie versammelt sich vollständig zum Frühstück: Sommerfrühstück mit Meerblick!
    Meist ist auch ein wenig Unterhaltungsprogramm geboten, häufig in Form von Hafenkino. Das ein- oder andere ungeschickte Ablegemanöver, die ersten Fahrversuche mit einem MoBo, die missglückte Rettung eines Tellers welche mit einem unfreiwilligen Bad im Hafenbecken endet, modische Entgleisungen aller Art, kurzum: buntes Rahmenprogramm, viel unterhaltsamer als Frühstücksfernsehen.

    Das Aufräumen erfolgt wieder im Schichtbetrieb. Eine Schicht darf zuerst die Sanitärräume besuchen, die zweite Schicht beginnt mit Aufräumarbeiten an Bord. Wasser kochen, Spülschüssel befüllen, spülen und abtrocknen. Den krönenden Abschluss des morgendlichen Rituals bildet dann noch eine Runde Pantrykisten-Tetris. Es gilt alle Küchen- und Essensutensilien so geschickt in der Kiste zu stauen, dass der Deckel sauber auf die Kiste passt und nur die vorgesehenen Auflagepunkte nutzt. Alles andere führt zu hässlichen Geräuschen und schlimmstenfalls Bruch bei der nächsten Benutzung als Trittstufe. Bonuspunkte erhält derjenige, der oft gebrauchte Dinge für den schnellen Zugriff ganz oben gestaut hat (z.B. Küchenrolle, Gummibärchen, Trinkbecher, ...)

    Hört sich alles ganz fix an, ist es aber nicht. Ich persönlich glaube ja immer noch an eine bisher unerforschte Störung des Raum-Zeit-Kontinuums, welche irgendwie im Zusammenhang mit der völlig außer Kontrolle geratenen Entropie unseres Kleinkreuzer-Systems stehen muss. Meine Frau hat eine andere, natürlich vollkommen abwegige Theorie entwickelt und behauptet: braucht halt alles einfach mehr Zeit, die vielen kleinen Handgriffe, hier räumen, da suchen, der Weg zum Hafenklo...
    Das Endergebnis ist jedenfalls das gleiche: vor Elf schaffen wir es nicht, segelklar zu werden. Egal wie wir es auch anstellen. Letztlich ist das aber kein Beinbruch, denn an normalen Tagen setzt frühestens ab Elf der Segelwind ein. Von daher passt das dann eigentlich doch immer wieder ganz gut zusammen.

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  • GRANDIOS!!!

    Macht wirklich viel Spaß zu lesen. Und festzustellen, dass es so viele Parallelen zu unseren Erfahrungen gibt ist echt lustig.

    Wenn du fertig bist, solltest du die ganze Story unbedingt ausdrucken und gut weglegen. Macht in 20-30 Jahren bestimmt Spaß den Enkeln vorzulesen.

  • Folge 6: Traumziele - Ziel der Träume?

    Freitag, unser letzter möglicher Segeltag. Wir haben "Druck", möchten den Tag noch nutzen, möchten unbedingt noch einmal raus. Morgen werden wir den ganzen Tag zum Packen, Abtakeln und Auskranen benötigen, zum Segeln werden wir nicht mehr kommen. Und die letzten beiden Tage waren auch schon nicht so dolle.

    Vorgestern hat es für unsere Verhältnisse ziemlich gekachelt, im Mittel 15kn, in Böen zeigte der Windplot Spitzen von 23kn. Wir waren trotzdem Draußen, weil es sonnig und warm war und wir den zu ende gehenden Urlaub unbedingt auskosten wollten und noch ganz berauscht von den Erlebnissen des Vortags waren. Nun hatten wir aber keinen richtigen Spaß. Wir sind gerefft nur unter Groß gefahren, das war einigermaßen angenehm zu handhaben und unser Bötchen kreuzt selbst damit noch gegen eine beachtliche Welle auf. Wir fanden auch einen Ankerplatz der uns vor dem Wellengang geschützt hat, nicht aber vor den Böen. Der erste Ankerversuch ging total in die Hose, der türkise Flecken erwies sich als mit Steinen durchsetzter Sandgrund und zu allem Überfluss wickelte sich die Ankerleine auch noch um den Kiel. Erst im zweiten Versuch haben wir dann einen Flecken Sand gefunden, in den wir unseren Anker sicher eingraben konnten, was auch dringend nötig war. Das Boot zerrte wie noch nie an der Ankerleine und ich setzte vorsichtshalber alle verfügbaren Ankeralarme ein. Das Badevergnügen hielt sich dann auch in Grenzen. Auch wenn das Wasser angenehm warm war, der Wind pfiff halt doch ganz schön über unser Boot hinweg. Mit Sorge beobachtete ich die Windanzeige, denn der Wind schien langsam aber sicher ebenfalls zuzunehmen. Nee, das war nichts. Auf dem Rückweg begegneten wir auch noch dem Vollidioten des Monats, was den Mittwoch dann vollends als "nicht unser Tag heute" abstempelte.

    Und Donnerstag? Der Wetterbericht warnte vor Gewittern und Böen von 35-40kn. Dazu passend haben sich schon morgens mächtige Quellwolken aufgetürmt und der Wind wiederholte sein Programm vom Vortag. Das reichte uns, wir entschieden uns für einen schönen Hafentag.

    Umso mehr setzten wir unsere Hoffnung in den letzten Tag. Nach den vielen schönen Segeltagen konnte, nein, durfte der Urlaub einfach so nicht enden. Erst am Dienstag hatten wir einen traumhaften Segeltag mit unserem bisher längsten Schlag zur Insel Vrgada. Auf dem Hinweg eine spannende Regatta-Einlage und auf dem Rückweg eine ewig lange, -t'schuldigung- s.u.p.e.r.g.e.i.l.e Gennakerstrecke. Wir wollen mehr davon!

    Tja. Freitag. Strahlender Sonnenschein, Sommerhitze zum Frühstück. Die schwüle Luft liegt wie Blei über dem Hafen, müde und lustlos dreht sich ab und zu mal das Paddelrad der Windanlage im Schneckentempo, die Windex taugt mehr als Krängungsmesser. Maßlose Enttäuschung und Frust machen sich an Bord breit. Wo ist er denn, der für Vormittag vorhergesagte Süd-West mit 10-15kn? Was tun? Noch ein Hafentag? Sollen wir den Strand besuchen? Bei dem Gedanken an die beiden überfüllten Strände bekomme ich Beklemmungen. Vielleicht könnte man unter Motor unsere Lieblingsbucht der letzten Woche anlaufen?

    Meine Frau sorgt für die jetzt dringend notwendige Portion Optimismus und schlägt vor, einfach mal rauszufahren. Vielleicht haben wir Draußen mehr Glück, immerhin ist ab und zu mal ein Lufthauch von 4-5kn dabei.

    OK, die Hoffnung stirbt zuletzt, aber ich verabschiede mich enttäuscht von meinem Plan nach Süden zu den Inseln Gangaro und Kotula zu segeln. Das hätte noch mal eine Teststrecke werden sollen, wie sind die Bedingungen da unten? Wäre es überhaupt denkbar, mit der VA18 auch Zut und in der Folge die Kornaten oder die Telescia-Bucht zu erreichen? Missmutig machen wir das Boot segelklar und laufen aus.

    Nach dem Segelsetzen erwartet uns ein Wechselbad der Gefühle. Ab und zu kommt etwas Wind auf und schürt Hoffnung. 5 Knoten, 6 Knoten, manchmal bis 7 Knoten. Das reicht schon für unser tolles Schiffchen, das Boot wird lebendig, legt sich sanft auf die Seite, nimmt Fahrt auf, vom Heck ertönt fröhliches Glucksen. Doch nach kurzer Zeit ist das Vergnügen schon wieder vorbei. Der Wind vollführt die wildesten Dreher und schläft immer wieder ein.

    Ohne das bisschen Stabilität, die uns der Wind gegeben hat, schaukeln uns wilde Kreuzseen in alle Richtungen. Die kommen aber nicht vom Wind, sondern von den Unmengen an MoBos, Gummiwürsten und Jet-Skis die das Wasser hier zum Kochen bringen. Es ist zum Verzweifeln, ich könnte heulen.

    Auf der anderen Seite des Kanals, dicht unter der Insel Pasman, sehen wir ein Segelboot. Unter Segeln. Das gibt's doch nicht! Wie macht der das? Fährt der unter Motor? Aber dann hätte er doch nicht Genua und Groß draußen. Wir müssen da hin, wir müssen irgendwie auf die Inselseite kommen, da scheint es doch tatsächlich Wind zu geben!

    Leichter gesagt als getan. Die paar Windhuster kommen aus den wildesten Richtungen und drehen wie verrückt. Wir zaubern ein wildes Zick-Zack und Gekringel auf die Seekarte und kommen unserem Ziel nur leidlich näher.

    Aber mit jedem Meter scheint sich die Lage zu bessern. Die wilde Dreherei lässt nach und wir können bald schon einen stabilen Am-Wind Kurs anlegen. Süd-West, die Vorhersage der Windrichtung stimmt doch schon mal. Ein kleines Fünkchen Hoffnung entzündet sich.
    Auch der Wind legt zu. Immer noch böig, aber er fällt selten unter 4, 5 Knoten ab. Das könnte was werden, das könnte wirklich noch was werden heute! Vergessen ist der ganze Frust.

    Inzwischen liegen wir bei 10 Knoten Wind. Es kommt noch einmal Regatta-Stimmung auf, als zwei größere Yachten uns in Luv überholen möchten. Sie sind ein Stück schneller als wir, aber sie unterschätzten offenbar die Höhe, die wir laufen können. In der Folge müssen die beiden immer weiter anluven und verlieren Geschwindigkeit. Jetzt sind wir wieder einen Ticken schneller und so machen wir einen netten Formationsflug, mit uns als Lee-Boot. Nach einer gefühlten Ewigkeit sind wir vorbeigezogen und ermöglichen den beiden endlich abzufallen und in Lee an uns vorbeizuziehen.

    Wir kommen dem Ende von Pasman näher und der Wind hat noch 'ne Schippe draufgelegt und dreht weiter auf West. Kap-Effekt? Für den Weg nach Gangaro bedeutet das weiterhin Am-Wind Kurs. Wir entscheiden zu reffen und gehen in den Beilieger. Das Beiliegen klappt mit der VA18 zwar ganz hervorragend, aber die Abdrift ist gigantisch. Deshalb sollte man das Manöver sorgfältig planen und genügend Lee-Raum haben. Heute kein Problem, der Wind bläst uns ja von Pasman weg. Bei unserem letzten Reff-Manöver, lustiger weise an der gleichen Stelle aber andere Windverhältnisse, bin ich ein wenig erschrocken, als ich den Plot hinterher angeschaut habe. Während ich auf dem Vorschiff rumgeturnt habe ist mir das nicht so aufgefallen, aber wir sind ein ganzes Stück versetzt worden, glücklicherweise parallel zur Küste. Also: Augen auf!

    Wir fahren um Pasman herum und nehmen Kurs auf Gangaro. Der Wind nimmt wieder etwas ab, es scheint also tatsächlich einen Kap-Effekt zu geben. Wir lassen das Reff aber drin, da immer wieder ein paar stärkere Böen dabei sind. Eine Bavaria läuft aus Süden auf uns zu und geht dann auf Parallelkurs. Sie ist etwas schneller als wir und überholt uns langsam. Für einen kurzen Moment ist unser Ehrgeiz geweckt und wir überlegen doch noch auszureffen, lassen es aber sein.
    Kurzer Blick auf die App, der nächste Felsknödel bleibt an Steuerbord. Ein ganzer Wald von Masten zwischen Kotula und Gangaro zeugt von einem beliebten Ankerplatz, wir sind gespannt.
    Vor uns startet die Bavaria die Maschine und geht in den Wind um die Segel zu bergen. Dazu muss sie nach Westen steuern, von Kotula weg. Wir hingegen segeln weiter auf Gangaro zu und fallen dann weit ab, schon Richtung Ankerplatz, um die Fock einzurollen. Tja, so haben wir doch noch gewonnen, abgerechnet wird immer erst im Ziel. Motor klarmachen, Halse, kurz in den Wind, Groß runterziehen und die Lage checken.

    Ist ja traumhaft hier. Da vorne gibt es eine riesige türkise Wasserfläche. Da, genau da will ich hin. Wir schlängeln uns zwischen anderen Ankerliegern durch und nähern uns dem Ziel unserer Träume. Unser geringer Tiefgang erlaubt uns, näher an Land zu ankern.
    Der Anker fällt mitten in türkisem, glasklaren Wasser auf 4m Tiefe. Ich kann den Anker auf seiner Reise auf den Grund beobachten. Ich glaube, ich träume. Sind wir hier in der Karabik? Wir hatten hier schon einige schöne Ankerplätze und auch schon türkises Wasser. Aber das hier ist anders, das hier ist... sorry, unbeschreiblich.
    Badeklamotten an und Arschbombenalarm. Beim Schnorcheln kann ich mich gar nicht satt sehen. Immer wieder muss ich um unser Boot herumschwimmen um mir das Bild einzuprägen, wie die Kielbombe hier über dem Grund schwebt und im leichten Schwell tanzt. Dazu der Schatten, den der Rumpf auf den Boden wirft. So habe ich unser Boot noch nie gesehen.
    Wir genießen den Nachmittag, machen Picknick an Bord mit gekühlter Melone und sind einfach mit uns, unserem tollen Boot und der Welt zufrieden. Sehr zufrieden.

    Als wir uns auf den Rückweg machen, hat der Wind weitergedreht. Die Vorhersage behielt heute wirklich recht. Für uns bedeutet das nochmal Am-Wind Kurs für den gesamten Heimweg. Egal. Der Wind steht durch und bringt uns bis vor die Hafeneinfahrt.
    Besser hätte der Urlaub nicht enden können. Diese Eindrücke, das macht – süchtig.
    Ich weiß genau, dass es diese Bilder sind, die mir im Kopf bleiben werden und für diesen Urlaub stehen. Und damit sind auch alle Fragen vom Morgen unserer Abreise aus Deutschland beantwortet. Ja, es hat sich gelohnt. Der ganze Aufwand, die Planung, die Zweifel. Alles vergessen, alles weggeschwemmt von einer Flut an fantastischen Eindrücken.

    Man möge mir die Einfallslosigkeit verzeihen, wenn ich hier einen witzigen Edeka-Werbespot zitiere (Link). Aber es war in Abwandlung der Running-Gag und Soundtrack unseres Urlaubs:

    Geiles Segeln, geiles Boot, geiler Urlaub! Seeeehr seeeehr geil...

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  • Folge 7: Epilog

    Sonntag, 23.00 Uhr, A8, kurz vor unserer Ausfahrt "Prien / Chiemsee". Seit einer Stunde stecken wir im Stau fest und es geht nur im Schneckentempo voran. Wo kommen um diese Zeit die ganzen Autos her? So kurz vorm Etappenziel ein frustrierendes Erlebnis. Der "Attention Assist" blinkt mir nun schon seit zwei Stunden immer wieder seine Kaffeetasse in den Tacho und fordert zur Pause auf. Danke für den Hinweis. Ja, es reicht wirklich für heute und wir sind wieder mal heilfroh über unsere Übernachtungsmöglichkeit am Chiemsee. Durchfahren bis Ingolstadt wäre fahrlässig.

    Der gestrige Tag stand schon ganz im Zeichen unserer Abreise. Es gab noch ein letztes gemütliches und ausgiebiges Frühstück im Cockpit, bevor "Klar Schiff" gemacht wurde. Klamotten wurden verpackt, Schlafsäcke zusammengerollt, Kleinkram verräumt. Noch in der Hotelmarina haben wir abgetakelt, alle Fallen ausgefädelt und am Mast gesichert, Fock zusammengerollt und gemeinsam mit dem Baum samt Groß im Lazybag in der Kajüte gestaut. Am frühen Nachmittag verließen wir zum letzten Mal die Hotelmarina und fuhren in die "andere, große" Marina. Wir hatten Glück und erwischten einen Platz ganz vorne am Steg, sodass wir unser Gepäck problemlos ins Auto umladen konnten und genügend Platz zum Mastlegen hatten.

    Kurz vorm Auskranen gab es noch eine Schrecksekunde: die Bremse eines Rades am Trailer war fest! Ich war wütend auf mich selbst und hätte mich Ohrfeigen Können. Jedes Kind weiß, dass ein Anhänger nicht mit angezogener Bremse abgestellt wird. Während wir den Trailer verzweifelt hin- und hergeruckelt haben, malte ich mir schon alle möglichen Szenarien aus. Mechaniker finden, Zeitplanung im Eimer, Heimreise verschieben... Wir hatten aber noch einmal Glück, nach einigem Geruckel drehte sich das Rad wieder. Skeptisch, mit einem flauen Gefühl eine kurze Probefahrt gemacht, es scheint alles soweit in Ordnung zu sein.

    Irgendwann am späten Nachmittag stand das Boot auf dem Trailer, der Mast war demontiert und lag unter dem Boot und alle Spanngurte waren locker an ihrem Platz. Fertig zur Abfahrt.
    Wir gönnten uns den Luxus einer Hotelübernachtung um sonntags ausgeschlafen und voller Energie die Heimreise antreten zu können.

    Schon auf der Fahrt zur Autobahn machen sich heftige Böen bemerkbar und erfordern konzentriertes und vorsichtiges Fahren. Der Verkehrsfunk vermeldet dann auch die Sperrung eines Teils der Küstenstraße für Gespanne und Geschwindigkeitsbeschränkungen auf der Autobahn wegen Bora. Das bringt uns die Gewalt dieses zurecht gefürchteten Windes noch einmal so richtig ins Bewusstsein. Meine Frau macht sich nebenher im Internet schlau und erfährt, dass die Autobahn am Maslenica-Viadukt sogar öfters gesperrt wird. Wir haben Glück und kommen mit einer Geschwindigkeitsbeschränkung auf 60km/h davon. Nach Passieren des Tunnels von Sveti Rok ist der Spuk auf der anderen Seite des Velebits vorbei und wir können wieder frei fahren.

    Der Rückreiseverkehr ist dicht und an der großen Mautstelle vor Zagreb stehen wir im Stau, was uns die erste Stunde Verzögerung einbringt. Ein Tipp: Der Begriff "Bank-Card" auf der Beschilderung meint "Kreditkarte" und ermöglicht die Benutzung der vorgezogenen ersten Mautstelle. Das kann richtig Zeit sparen. Beim nächsten mal vielleicht auch uns...
    Es folgen noch weitere Staus an diversen Zahlstellen und der Grenze. So langsam bin ich von der Maut-Kassiererei genervt. Meinetwegen kann ja jedes Land nach Gutdünken Streckenmaut erheben, aber es muss in der heutigen Zeit doch intelligentere Bezahlsysteme ohne zwangsläufige Staubildung geben. Hier könnte die EU mal harmonisierend eingreifen und Standards setzen, statt sich der Leistungsbeschränkung von Staubsaugern zu widmen. Würde vielleicht auch CO2 sparen. Aber jetzt schweife ich ab...

    Es wird schon langsam dunkel, als wir eine letzte Pause hinterm Tauerntunnel machen. Es fröstelt uns und ein Hauch von Herbst liegt in der Luft. Wir schieben das noch auf die Lage im Gebirge, bevor uns das Wetter der folgenden Tage eines besseren belehren wird.

    So ist sie zu Ende gegangen, unsere große Fahrt mit Firlefanz. Inzwischen dümpelt er wieder gelangweilt auf seinem angestammten Liegeplatz am Brombachsee und nachdem wir letztes Wochenende die letzten Salzflecken vom Rumpf gespült haben, erinnert nichts mehr an sein großes Abenteuer. Wir hoffen noch auf einen schönen Spätsommer und möchten gerne noch ein paar Wochenenden mit ihm verbringen. Wenigstens ein paar schöne Segeltage, bevor der finale Krantermin die Saison unausweichlich beendet. Aber im Hinterkopf, da arbeitet es schon wieder. Ideen und Gedanken werden sachte hin- und hergewälzt und der nächste Sommer, der kommt bestimmt.

    Versprochen, Firlefanz. Und Danke für 79,0 gelungene Seemeilen.

    [attachment=1]KroatienAbfahrt_1.jpg[/attachment]
    [attachment=0]KroatienAbfahrt_2.jpg[/attachment]

  • Ich hätte das nicht besser schreiben können!
    Deckt sich 1:1 mit dem, was wir nächstes Jahr vorhaben.
    Bleibt die Frage, ob Du/Ihr mal Interesse an einem Treffen hättet - kann man ja planen, wenn Firlefanz aus dem Wasser ist!
    Gruß, Stefan von Ambata

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