Folge 8: Unter MoBos
Zur Beachtung:
Ich bitte alle Motorbootfahrer, aber auch alle Segler, die folgenden Zeilen als das zu verstehen, was sie sein sollen: eine satirisch überspitzte, hoffentlich leidlich unterhaltsame, Auseinandersetzung mit unseren Erlebnissen und Eindrücken. Ich möchte keinesfalls MoBo-Bashing betreiben und betonen, dass wir sehr nette Begegnungen mit Motorbootfahrern hatten. Und dabei ist mir klar geworden, dass wir Segler, die wir häufig unsere hochgeschätzte "gute Seemannschaft" wie einen Fetisch verbiestert vor uns hertragen, vom lockeren Pragmatismus der MoBo-Fahrer lernen könnten.
Das MoBo
Lebensraum und Verbreitung:
MoBos sind an allen Küsten Europas anzutreffen, wobei ein deutliches Nord-Süd Gefälle existiert. An Atlantik, Nord- und Ostsee gibt es vereinzelte, kleinere MoBo-Kolonien aber die Verbreitung ist insgesamt sehr gering. Im Mittelmeer konnten sich in den letzten Jahrzehnten dagegen große Kolonien ausbilden, welche insbesondere in den Sommermonaten stark anwachsen.
Häufig wurden auch nomadisierende MoBos beobachtet, welche Ihre Behausung über weite Landstrecken transportieren um sich wechselnden Kolonien anzuschließen. Eine abschließende Erklärung für dieses Verhalten konnte noch nicht gefunden werden, vermutlich suchen sie geeignetere warme Habitate auf, um bessere Bedingungen für Jagd, Paarung und Aufzucht vorzufinden.
Aussehen und Erscheinung:
Es wird vermutet, dass MoBos temperaturabhängig ein Sommer- oder Wintergefieder tragen. Bisher konnte nur das Sommergefieder beobachtet werden. Dieses besteht beim MoBo-Männchen aus einem meist bunten Gewebeverhang, welcher knapp unterhalb der durch ausgiebigen Flüssigkeitskonsum stark ausgebildeten Bauchwölbung getragen wird.
Das MoBo-Weibchen bevorzugt ein zweiteiliges buntes Gefieder, welches insgesamt äusserst knapp bemessen ist. Dies wird allgemein als Ausdruck von schonendem Umgang mit den vermutlich äußerst knappen Geweberessourcen gewertet.
Die Jagd:
Das MoBo jagt immer mitsamt seiner Behausung, wozu es allmorgendlich die Kolonie verlässt. Das Verlassen der Kolonie folgt einem erstaunlichen Ritual, dessen genaue Bedeutung noch viele Rätsel aufgibt.
Die Vorbereitungen beginnen schon am frühen Morgen, wenn das MoBo-Weibchen unter Anwendung von allerlei bunten Farben sein Aussehen verändert. Es ist unter Forschern umstritten, ob dies der Tarnung dient oder ob potentielle Konkurrentinnen im Sinne einer Kriegsbemalung eingeschüchtert werden sollen.
Die Absicht zum bevorstehenden Verlassen der Kolonie wird rechtzeitig durch laute Geräusche angekündigt. Vermutlich dient dies sozialen Zwecken um andere MoBos über das bevorstehende Verlassen zu informieren oder um den eigenen Status in der Rangfolge durch die Art der Geräusche zu demonstrieren und zu festigen.
Vereinzelt geht die Geräuschbildung mit einer sehr ausgeprägten Geruchsbildung einher, dann auch häufig in Verbindung mit der Produktion von bläulichen Rauchsignalen.
Ist die Zeit zum Verlassen der Kolonie gekommen, bewaffnet sich das MoBo-Weibchen mit einer Art Speer oder Lanze und postiert sich ganz vorne auf der Wohnbehausung. Nach Aufforderung durch das MoBo-Männchen löst das MoBo-Weibchen die Haltefäden, mit denen es die Behausung am Abend vorher mit sehr indivduellen Verknotungskunstwerken an seiner Position fixiert hat. Falls vorhanden, wird das MoBo-Weibchen dabei sehr häufig von Jung-MoBos unterstützt. Oftmals scheint dieser Teil des Rituals nicht zur Zufriedenheit des MoBo-Männchens ausgeführt zu werden, worauf dieses durch tendenziell aggressives Verhalten gegenüber seinem Weibchen und seinen Jungen auffällt, was nicht die einzige Merkwürdigkeit dieses Rituals darstellt.
Ist es gelungen, die Haltefäden zu lösen setzt sich die Wohnbehausung in Bewegung. Nun folgt ein sehr ungewöhnliches Verhalten, für das bisher noch kein zufriedenstellender Erklärungsansatz gefunden werden konnte. Obwohl das MoBo als sehr sozial, freundlich und kooperativ gilt, entwickelt das MoBo-Weibchen im Moment des Verlassens eine erstaunliche und vollkommen unerwartete Feindseligkeit gegenüber anderen MoBo-Behausungen. Mit seiner Lanze sticht es ohne Rücksicht auf etwaige Schäden auf andere Behausungen ein und versucht diese fernzuhalten. Selbst eigene Gefährdung und Verletzung wird dabei billigend in Kauf genommen. Ob dies andere MoBos einschüchtern soll um damit die Chance auf den eigenen Jagderfolg zu erhöhen, ist umstritten. Zumal dieses Verhalten auch gegenüber unbewohnten MoBo-Behausungen beobachtet wurde. In manchen Fällen wurde Gegenwehr von anderen MoBos beobachtet, wobei diese dann fast ausschließlich von MoBo-Männchen vorgenommen wird.
Das MoBo-Männchen ist dagegen stets bemüht, die eigene Behausung ohne Eigen- und Fremdschädigung aus der Kolonie zu lösen. Dies muss wohl hohe Anforderungen an die kognitiven und körperlichen Fähigkeiten des MoBo-Männchens stellen, denn es gelingt nicht allen MoBo-Männchen in gleicher Weise erfolgreich. Insbesondere der Faktor Erfahrung scheint sich äusserst positiv auf die Minderung von Schäden auszuwirken.
Die Jagd selber ist nach wie vor ein bisher unerforschter Bereich. Es ist weder klar, was MoBos jagen, noch konnte jemals ein Jagderfolg in freier Wildbahn beobachtet werden.
Als gesichert gilt jedoch, dass die gejagte Beute sehr schnell sein muss. Denn hohe Geschwindigkeiten sind bei MoBos auf der Jagd fast ausschliesslich zu beobachten und generell scheinen MoBos sehr hohen Wert auf den Faktor Geschwindigkeit zu legen.
Da sich immer viele MoBos gleichzeitig auf der Jagd im selben Revier befinden, müssen sich im Laufe der Evolution Regelwerke für das gemeinsame Jagen entwickelt haben. Diese konnten bis heute jedoch nicht eindeutig identifiziert werden, da immer wieder widersprüchliches Verhalten beobachtet werden konnte. Zum Einen scheint es sehr komplizierte Regeln zu geben, nach denen MoBos sich vollkommen überraschend gegenseitig aus dem Weg gehen, zum anderen scheint es aber auch auf Größe und/oder Geschwindigkeit der MoBo-Behausung anzukommen.
Als gesichert gilt jedoch, dass die Jagd für die MoBos sehr anstrengend sein muss. Schon nach kurzer Zeit werden Ruhezonen zur Erholung aufgesucht. Zur Kühlung und Regelung der Körpertemperatur werden grundsätzlich zwei verschiedene Strategien, häufig auch in Kombination angewendet. Die interne Kühlung erfolgt auf Basis der Aufnahme von großen Mengen an Flüssigkeiten. Die externe Kühlung erfolgt durch Verlassen der Behausung und ausgiebige Wasserbäder. Einzelnen MoBo-Exemplaren reichen diese Kühlungsstrategien nicht aus, sodass sie ihren Temperaturhaushalt nur durch ganzes oder teilweises Abwerfen Ihres Sommergefieders in den Griff bekommen können.
Am Abend kehren die MoBos zur Kolonie zurück. Das Ritual beim Verlassen der Kolonie wird nun in sehr ähnlicher Weise wiederholt. Auch hier hat sich das bewaffnete MoBo-Weibchen wieder an der vorderen Spitze der Behausung postiert, bereit, jederzeit andere MoBo-Behausungen zu attackieren.
Geschwächt und müde von der anstrengenden Jagd hat das MoBo-Männchen sichtlich Schwierigkeiten, die Behausung wieder sicher in die Kolonie zu integrieren. Es gelingt nur den erfahrensten MoBo-Männchen auf Anhieb fehlerfrei. Sollte dies nicht auf Anhieb gelingen, erwächst aus einer unglücklichen Verkettung von Ungeschicklichkeiten meist eine kleine Katastrophe für die gesamte Kolonie. Die aktuelle Lehrmeinung geht davon aus, dass in diesem komplexen Prozess allein das MoBo-Weibchen für die völlig ausser Kontrolle geratene Situation verantwortlich sein kann. Anders lässt sich die häufig folgende aggressive Reaktion des MoBo-Männchens gegenüber seines Weibchens nicht erklären. Vermutlich hat das MoBo-Weibchen in diesem Fall die anderen MoBo-Behausungen nicht energisch genug mit seinem Speer attackiert um genügend Raum für die eigene Behausung zu schaffen.
Nachdem die Behausung an ihrem Platz ist, fischt das MoBo-Weibchen mit großer Geschicklichkeit die Haltefäden aus dem Meer und fixiert damit die Behausung an ihrer Position. Dazu bedient sich das MoBo-Weibchen kunstvoller Flechtarbeiten, welche durchaus als Ausdruck von Individualität gewertet werden dürfen.
Aufzucht und Brutpflege:
Nach erfolgreicher Paarung erfolgt die Aufzucht der Jung-MoBos innerhalb der Wohnbehausung. Die Jung-MoBos werden schrittweise an die gefährliche Jagd und die zugehörigen Rituale herangeführt.
Auffällig ist, dass die Größe der Wohnbehausung kontinuierlich mit dem wachsenden Raumbedarf der MoBo Familie angepasst wird. Erstaunlich ist jedoch, dass die Wohnbehausung nach Flügge-werden des Nachwuchses im allgemeinen nicht verkleinert, häufig jedoch weiter vergrößert wird.
Es konnte ebenfalls beobachtet werden, dass die Alt-MoBos Ihrem adoleszenten Nachwuchs Ihre Wohnhöhle temporär überlassen. Dies wird dann zu geheimnisvollen Initiationsritualen mit erstaunlichem Flüssigkeitskonsum genutzt.
Das Balzverhalten:
Das paarungswillige MoBo-Männchen drückt dies bevorzugt durch Wahl und Ausstattung seiner Behausung und dominantes Auftreten gegenüber anderen Lebewesen aus. Die Behausung ist meist länglich und flach und häufig in sehr bunten Farben gestaltet. Nur selten weisen die Behausungen von paarungswilligen MoBo-Männchen die Merkmale von Wohnbehausungen auf, äusserst wichtig scheint dagegen das Vorhandensein von großen Liegeflächen zu sein.
Mit hoher Geschwindigkeit werden vermutete Aufenthaltsorte von MoBo-Weibchen aufgesucht. Diese finden sich häufig an Stränden oder in urbanen Lebensräumen mit Wasserzugang. Dort wird versucht, durch laute Geräusche und oftmals laute Musik die Aufmerksamkeit der MoBo-Weibchen zu erlangen.
Gelingt dies, zeigt das MoBo-Weibchen seine paarungsbereitschaft durch Betreten der Behausung und demonstrative In-Beschlagnahme der vorhandenen Liegefläche.